Wenige Theorien haben das Selbstverständnis des Menschen in ähnlicher Weise revolutioniert wie die Evolutionstheorie. Allerdings ist im Laufe des 20. Jahrhunderts das moderne Theoriengebäude der Evolutionsbiologie aufgrund der Einbeziehung vieler Disziplinen (Genetik, Populationsgenetik, Molekulargenetik, Spieltheorie, Entwicklungsbiologie u.a.) äußerst komplex und abstrakt geworden; für den Laien ist es daher kaum noch verständlich. So ist es zu einer weitgehenden Entfremdung zwischen dem biologischen Nichtfachmann und Wissenschaftlern gekommen, die sich mit dem Thema Evolution befassen. Diese Lücke nutzen die weltanschaulich motivierten Gegner der Evolutionstheorie, um die moderne Evolutionsforschung in breitenwirksamen Publikationen und Filmen zu diskreditieren.

Zudem ist, trotz eines breiten Angebots an Sachbüchern und TV-Dokumentationen, das Verständnis für die Evolutionstheorie immer noch gering. Es ist zu befürchten, dass viele Schüler, Studenten und naturwissenschaftliche Laien ein zentrales Stück Bildung verlieren werden: das Wissen und Staunen über die innige Verflechtung von Ursachen und Wirkungen in der belebten Natur, wissenschaftsorientiertes Denken und nicht zuletzt das Verständnis für unsere biologische Geschichte. Damit ist unsere Wissenskultur gefährdet: Die Auswirkungen auf unsere Gesellschaft wären erheblich, falls wir Wissen und Bildung – die einzigen Standortvorteile unseres Landes – verlören.

Vor diesem Hintergrund hat sich die AG EvoBio folgende Ziele gesetzt:

Die moderne Evolutionsbiologie umfasst zahlreiche Teildisziplinen. Dazu zählen im Wesentlichen die folgenden Fachbereiche: Abiogenese-Forschung, evolutionäre Biochemie, evolutionäre Biotechnologie, theoretische Biologie, Botanik, evolutionäre Entwicklungsbiologie (Evo-Devo) und (Entwicklungs-) Genetik, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Epigenetik, Ökologie, Paläontologie, Physiologie, Populationsgenetik, Verhaltensbiologie, Zellbiologie, Zoologie, In-silico-(Computer)-Evolutionsforschung und Systembiologie.

Die AG EvoBio macht es sich zur Aufgabe, möglichst viele akademischen Vertreter der genannten Disziplinen, einschließlich Evolutionshistorikern, Biophilosophen und Biodidaktikern, unter einem Dach zusammen zu führen.

In den Augen vieler Zeitgenossen hat die Evolutionstheorie mit Theodosius Dobzhansky und Ernst Mayr den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreicht. Danach sind Mutation, natürliche Auslese und Rekombination die wesentlichen Mechanismen des Evolutionsprozesses. Allerdings spiegelt diese Auffassung den Stand der sogenannten Synthetischen Evolutionstheorie um 1970 wieder. Heute wissen wir, dass der Evolutionsprozess weit vielschichtiger ist. So ist die natürliche Selektion nicht der einzige bestimmende Faktor in der Evolution, wie damals viele glaubten.

Wichtige Impulse für eine Erweiterung der Synthetischen Theorie lieferten die Entschlüsselung des Genoms und die fortschreitenden Erkenntnisse in der Molekular- und Entwicklungsgenetik ab den 1980er Jahren. Dabei kristallisierte sich mehr und mehr heraus, dass entwicklungsbiologische Prozesse, die aus einer befruchteten Eizelle einen adulten Organismus werden lassen, die Evolution stark beeinflussen, streckenweise „kanalisieren“ aber auch Variationen und Parallelbildungen erleichtern und vieles mehr.

Heute werden veränderte Genregulations-Muster mit variierenden Kombinationen von Genschaltern und den Regeln ihres Zusammenspiels als Hauptfaktoren für die Entwicklung komplexer Organismen und neuer Baupläne ausgemacht. Dieses Zusammenspiel gilt es zu erkennen. Mitunter können schon geringfügige Modifikationen bestimmter Zell-Rezeptoren, Signalproteine oder Hormone die Zell-Zell-Interaktionen und wechselseitige Genaktivierung im Embryo so weit abändern, dass vielschichtige Veränderungen im Erscheinungsbild – bis hin zu mehr oder weniger komplexen Innovationen – auftreten.

Entwicklungsbiologische bzw. embryologische Determinanten spielten in der Synthetischen Theorie der Evolution lange keine Rolle. Das hat sich inzwischen grundlegend geändert. Zahlreiche neue Forschungsprogramme, angefangen mit der Evolutionären Entwicklungsbiologie (Evo-Devo), über die Evolutionäre Biochemie bis hin zur Evolutionären Biotechnologie und Systembiologie hoben die Evolutionsbiologie auf ein neues Niveau. Ihre Einbeziehung in die Synthetische Evolutionstheorie wird oft als Erweiterte Synthese (Extended Evolutionary Synthesis) bezeichnet.

Weitere Wissenschaftsdisziplinen, die wichtige Erweiterungen beisteuern, sind neben den genannten die Endosymbiontentheorie, die Systemtheorie der Evolution, die Neutrale Evolutionstheorie, die Ökologie, die moderne Version der Genetik und Populationsgenetik, die Neuerungen auf dem Gebiet der Bioinformatik/Sequenzanalyse und die Nischenkonstruktionstheorie. Es ist unser Anliegen, auch die Neuerungen öffentlich und verständlich zu machen.

Zu den vorrangigen Aufgaben der Arbeitsgruppe zählt die Veröffentlichung evolutionsbiologischer sowie wissenschaftstheoretischer Beiträge, in denen wir die Zusammenhänge und Grundlagen der Evolutionswissenschaften allgemeinverständlich darstellen. Hemmnisse sind dabei verschiedenste pseudowissenschaftliche Ideen, die um das Thema Evolution bedauerlicherweise weit verbreitet sind: vom „Gesetz der Arterhaltung“ bis hin zum Kreationismus, also der religiös motivierten Evolutionsleugnung und seiner pseudo-akademischen Variante des Intelligent Designs.

Ein Teilaspekt unserer Arbeit ist daher auch die Widerlegung solcher nicht-wissenschaftlicher Evolutionskritik, die oft so geschickt dargestellt wird, dass der Nicht-Fachmensch kaum Chancen hat, die darin enthaltenen Fehler zu erkennen. Auf diese Weise wollen wir allen, die sich mit anti-evolutiver Argumentation auseinandersetzen wollen oder müssen, Argumentationshilfen anbieten und begründen, weshalb solche Ideengebäude keine wissenschaftlichen Alternativen zur Evolutionstheorie sein können.

Die meisten Fachartikel sind für Laien nicht nachvollziehbar. Gleichwohl sind gerade diese originären Forschungs- und Übersichtsartikel die Informationsquellen für Fach-, Lehr- und Schulbücher. Einige dieser Originalpublikationen und Übersichtsartikel können insbesondere für Schüler und Lehrer hilfreich sein; solche Artikel werden von der AG bereitgestellt.

Die Mitglieder der AG EvoBio stehen auf Anfrage für Vorträge, Seminare, Fortbildungen und Podiumsdiskussionen zur Verfügung.

Die AG EvoBio arbeitet im Bereich Evolutionstheorie mit anderen Personen und Gruppierungen zusammen.

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