Was bedeutet Evolution?

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Was bedeutet Evolution?

Das Wort Evolution stammt aus dem Lateinischen (von evolvere), was so viel bedeutet wie entwickeln oder ausrollen. Seine etymologischen Wurzeln liegen im 17. Jahrhundert, als es noch keine Evolutionstheorie gab. Somit hatte der Begriff eine andere Bedeutung als heute.

Evolution als Wachstumsprozess

Hartsoekers Darstellung der Präformation (1694). Der Embryo ist im Spermium bereits präformiert und bildet sich durch Ausstülpung: er „evolviert“.

Im 17. und 18. Jahrhundert, war die so genannte Präformationslehre weit verbreitet. Dieser entwicklungsbiologischen Theorie zufolge, die erstmals bei dem griechischen Philosophen Anaxagoras Erwähnung findet, sollen alle Merkmale der Organismen seit Anbeginn der Zeit im Ei oder im Spermium vorgebildet (präformiert) gewesen sein.

In den Abbildungen des niederländischen Gelehrten Nicolas HARTSOEKER (1656–1725) enthalten die Köpfe der Spermien kleine Menschenkörper (sogenannte „Homunculi“), deren Organe sich während der Schwangerschaft nur noch auszurollen (zu „ent-wickeln“) brauchten. Darüber hinaus bestand kein Zweifel daran, dass die biologischen Arten unveränderlich seien und in ihrer heutigen Form vor wenigen Jahrtausenden von Gott geschaffen wurden.

Bis ins 19. Jahrhundert war die „Evolutionslehre“ also mit der (längst überholten) Präformationslehre identisch, wobei sich die „Evolution“ auf die Individualentwicklung als reinen Wachstumsprozess bezog.

Evolution als Prozess der Entstehung neuer Arten

Nachdem DARWINs Hauptwerk On the origin of species (1859) erschienen war, übertrug Herbert SPENCER (1864) den Begriff Evolution auf die allmähliche Veränderung und stammesgeschichtliche Entwicklung der Arten im Lauf der Erdgeschichte. Es dauerte allerdings rund 40 Jahre, bis sich diese Begriffsverwendung allgemein durchgesetze.

Im Fachjargon wird die Entwicklung neuer Arten und Verwandtschaftsgruppen auch als Phylogenese bezeichnet (griechisch génesis: Entstehung, Geburt und phýlon: Stamm). Im Gegensatz dazu steht das Wort Ontogenese (griechisch on: das Seiende) für die Individual- bzw. Keimes-Entwicklung.

Übrigens benutzte DARWIN das Wort „Evolution“ in den ersten fünf Auflagen seines Hauptwerks kein einziges Mal. Er verwendete es erst in dem 1871 erschienenen Buch The decent of man, and selection in relation to sex. Stattdessen gebrauchte er  Ausdrücke wie „descent with modification“ (Abstammung mit Veränderung) oder schlicht „modification“.

Evolution als universaler Prozess

Modell der universalen Evolution

Heute findet der Evolutions-Begriff nicht nur in der Biologie, sondern in allen Wissenschaften Anwendung, die sich mit historischen Entwicklungsprozessen beschäftigen. So sprechen wir von kosmischer, galaktischer, stellarer, chemischer, molekularer, biologischer, psychosozialer, kultureller Evolution usw. 

In diesem weiteren Sinn sind alle materiellen (veränderlichen) Systeme das Ergebnis von Evolution. So begann das Universum seine Existenz mit einem weitgehend unstrukturierten „Quark-Gluon-Plasma“, aus dem sich nach und nach die Bausteine der Materie und danach immer komplexere Systeme herausgeschält haben.

Interdisziplinäre Bedeutung

Der interdisziplinäre Evolutionsbegriff bezieht sich auf die Entstehung von qualitativ Neuem, zunehmend Komplexem, bedingt durch das fortwährende Wechselspiel von Zufall und Notwendigkeit. In diesem Sinn lässt sich Evolution als diachrone Emergenz auffassen.

Diachrone Emergenz meint die erstmalige, naturgeschichtliche Entstehung von Systemen mit neuartigen Eigenschaften. Natürlich sind deren Mechanismen vielschichtig. So gab es in der Geschichte des Kosmos verschiedene Sternpopulationen, die in Jahrmilliarden der Entwicklung schwere Elemente hervorbrachten. In nachfolgenden Sterngenerationen entstanden aus den schweren Elementen Planetensysteme und eine komplexe Chemie, die unter günstigen Voraussetzungen zur Entstehung von Leben führt.

Der Evolutionsgedanke bildet also nicht nur ein alle Teildisziplinen vereinheitlichendes Fundament der Biologie, sondern das zentrale Element aller Wissenschaften mit historischer Komponente. Ja, er ist für sie geradezu konstituierend: Nur er beinhaltet die Möglichkeit, das heute Existierende aus dem Vergangenen zu erklären, ohne auf obskure Faktoren wie Schöpfer, Teleologie, Entelechie und Finalität zurückgreifen zu müssen (VOLLMER 2014, S. 14).

Quellen

JAHN, I., LÖTHER, R. & SENGLAUB, K. (1982) Geschichte der Biologie. Theorien, Methoden, Institutionen und Kurzbiographien. VEB – Gustav Fischer Verlag, Jena, 210ff.

SALWINI-PLAWEN, L. (2007) Zur Geschichte der biologischen Theorie der Evolution. Denisia 20, 7-22.

SPENCER, H. (1864) The principles of biology, Vol 1. Williams and Norgate, London.

VOLLMER, G. (2014) Zur Tragweite des Evolutionsgedankens in der Wissenschaften und in der Philosophie. In: NEUKAMM, M. (Hg.) Darwin Heute. Evolution als Leitbild in den modernen Wissenschaften (pp. 13-50). WBG, Darmstadt.