|
PDF-Version Hintergrundwissen Mensch und Schimpanse: 15 % oder 1 % Unterschied im Erbgut?Gene und Verwandtschaft: Wie der Kreationismus die Öffentlichkeit täuscht![]() In der Fachwelt kursieren verschiedene Angaben zur genetischen Verwandtschaft von Mensch und Schimpanse. Einige Studien beziffern die genetischen Unterschiede auf rund 1–5 %, andere auf 13–15 %. Vertreter des Kreationismus behaupten, neuere Studien hätten den 1 %-Mythos widerlegt. Damit nähren sie Zweifel an der Verwandtschaft von Mensch und anderen Primaten und unterstellen der Evolutionsbiologie, an widerlegten Dogmen festzuhalten. Damit ihr Argument wirkt, verschweigen sie jedoch zentrale Informationen. Das Discovery Institute, ein evangelikaler Think-Tank, hat sogar eine im Fachjournal Nature erschienene Abbildung beschnitten und unliebsame Vergleichsdaten daraus entfernt. Gene von Mensch und Schimpanse zu 99 % identisch – oder doch nicht?Kaum eine wissenschaftliche Einsicht hat das Selbstbild des Menschen so nachhaltig erschüttert wie DARWINs Erkenntnis, dass unsere Wurzeln im Tierreich liegen. Der Gedanke, nicht als einzigartiges Geschöpf über der Natur zu thronen, sondern mit Schimpansen, Gorillas und anderen Primaten verwandt zu sein, gilt vielen als intellektuelle Zumutung. Besonders auf religiöse Menschen, die den Menschen als Krone der Schöpfung begreifen, wirkt diese Verwandtschaft wie eine Kränkung. Die Angst, dadurch der eigenen Einzigartigkeit beraubt zu werden, sitzt offenbar tief. Die Erkenntnis, dass nur 1,2 % der Erbanlagen des Menschen von denen des Schimpansen abweichen, schlägt ein wie eine Bombe. Im Licht dieser Zahl wird die gemeinsame evolutionäre Vergangenheit sichtbar wie unter einem Brennglas. Kein Wunder, dass Evolutionsleugner (Kreationisten im weiteren Sinn), die von unseren stammesgeschichtlichen Wurzeln im Tierreich nichts wissen wollen, die große genetische Nähe fortwährend anzweifeln, relativieren und als 1 %-Mythos bekämpfen. Nun erscheinen regelmäßig Studien, die den Kreationisten scheinbar in die Hände spielen. Einige von ihnen sprechen nicht mehr von 95 oder 99 % genetischer Übereinstimmung, sondern nennen deutlich niedrigere Zahlen – teils nur 85 %. Eine kürzlich in der Fachzeitschrift Nature erschienene Arbeit (YOO et al. 2025) bestätigt diese Größenordnung. Das internationale Forscherteam präsentiert eine umfassende Neubewertung der genomischen Ähnlichkeit zwischen Mensch, Schimpanse und weiteren Primatenarten basierend auf der vollständigen Sequenzierung und vergleichenden Analyse mehrerer Primatengenome. Die Studie kombiniert hochauflösende Sequenzierungstechnologien mit ausgefeilten bioinformatischen Methoden, um sowohl punktuelle als auch strukturelle Unterschiede systematisch zu erfassen. Im Ergebnis bestätigt sich, dass die gesamte genomweite Differenz zwischen Mensch und Schimpanse ungefähr zwischen 13,3 % und 14,9 % beträgt. Der Kreationismus triumphiert: der 1 %-Mythos sei widerlegtDiese Zahlen wirken auf den ersten Blick wie eine drastische Korrektur früherer Angaben und werden von Evolutionsgegnern mit sichtbarer Genugtuung aufgegriffen. Der 1-Prozent-Unterschied gilt in solchen Kreisen als überholt oder widerlegt, was als Argument gegen die enge genetische Verwandtschaft von Mensch und Schimpanse ins Feld geführt wird. So lesen wir bei TERBORG (2019): Die Daten des 21. Jahrhunderts zeigen, dass die genetische Kluft zwischen Mensch und Schimpanse sehr viel größer ist, als bisher angenommen und von den Medien popularisiert wurde. Wenn in den Medien noch immer propagiert wird, dass es einen nur 1–2 %igen genetischen Unterschied zwischen Menschen und Schimpansen gibt, ist das ein veralteter Wissensstand, mit dem man zu Unrecht suggeriert, dass der Mensch nur ein höherentwickelter Affe sei. In geradezu atemberaubender Frequenz diskutiert das evangelikale, US-amerikanische Discovery Institute die Frage nach der genetischen Ähnlichkeit von Mensch und Schimpanse. Sage und schreibe 16 Artikel des christlich-konservativen Think-Tanks widmen sich allein zwischen dem 20. Mai und dem 26. Juni 2025 genau diesem Thema, wobei die erwähnte Nature-Studie im Vordergrund steht. Casey LUSKIN, stellvertretender Direktor des Center for Science and Culture am Discovery Institute, verleiht seiner Kritik am 1 %-Mythos eine bemerkenswert moralinsaure Note; er schreibt (ins Deutsche übertragen von MN): Aktuell lässt sich mit Gewissheit festhalten, dass die jüngste Studie eine genomische Differenz von mindestens 14,9 % zwischen Mensch und Schimpanse aufzeigt. Dies entspricht einer erheblich größeren Differenz der Genome, als es der Öffentlichkeit bislang meist vermittelt wurde. … Dies sind bahnbrechende Ergebnisse - und es ist eine Schande, dass Nature die Daten nicht transparent präsentiert und den Zugang zu den Daten erschwert - mit einem Jargon, den die meisten Nicht-Experten nicht verstehen. Warum haben sie das getan? (LUSKIN 2025) Der Autor entrüstet sich darüber, dass die Abbildung, der sich die Genomähnlichkeiten entnehmen lassen, tief im Anhang der Studie "versteckt" worden sei. Er spekuliert, dass die "bahnbrechende" Erkenntnis Nature dazu bewogen haben könnte, sie möglichst intransparent zu präsentieren. Schließlich hätte sie weitreichende Folgen bezüglich der Einzigartigkeit des Menschen und diskreditiere den 1 %-Mythos. Haben neuere Studien den sogenannten 1 %-Mythos tatsächlich widerlegt? Erfordert eine genetische Differenz von 15 % eine Neubewertung der Herkunft des Menschen? Oder betreibt der Kreationismus nur ein Verwirrspiel, bei dem Halbwahrheiten präsentiert und wichtige Zusatzinformationen verschwiegen werden? Was der Kreationismus nicht sagtUngeachtet der Aufmerksamkeit, die die jüngste Nature-Studie (Yoo et al. 2025) erfährt, gibt die Abbildung im Anhang der Arbeit nichts Neues preis. Der dort skizzierte Unterschied von 15 % bezieht sich darauf, dass lediglich 85 % des menschlichen und des Schimpansen-Genoms "Buchstabe für Buchstabe" (DNA-Base für DNA-Base) positionsgenau gegenübergestellt (im Fachjargon: aligniert) werden kann (s. Abb. 1). Der Grund sind größere Einfügungen und Löschungen im Genom, die sogenannten InDels: Den betreffenden Sequenz-Abschnitten lassen sich im jeweils anderen Genom keine passenden Sequenzen zuordnen, sondern nur Lücken. Auch die Verlagerung (Translokation) ganzer Chromosomenabschnitte muss berücksichtigt werden, da sie die lineare Zuordnung im Alignment unterbricht. Ursache hierfür sind Chromosomenmutationen, die dutzende bis tausende DNA-Basen auf einmal betreffen. Ausgedehnte Repeats, also Sequenzen von DNA-Basen (Nukleotiden), die mehrfach hintereinander im Genom vorkommen, können ebenfalls das Alignment unterbrechen. Sie entstehen und vergrößern sich beispielsweise durch Fehler bei der Replikation (replication slippage) und DNA-Reparatur. Auch mobile genetische Elemente (Transposons) können zur Ansammlung repetitiver Sequenzen beitragen. Transponierbare Elemente machen rund 45 % unseres Genoms aus. Weit über 90 % dieser Elemente haben keine Funktion (MORAN 2023). Sie befinden sich überwiegend in nicht-kodierenden Bereichen, wo sie seltener einer negativen Selektion unterliegen und sich daher im Lauf der Evolution anreichern konnten. Solche Elemente verändern häufig größere DNA-Abschnitte auf einmal, sind hochdynamisch und zeigen selbst innerhalb einer Art beträchtliche Unterschiede. Deshalb werden die durch sie verursachten Lücken in den Sequenz-Alignments in der Regel nicht als einzelne Nukleotid-Unterschiede gezählt, wenn es darum geht, wie stark sich zwei Arten genetisch ähneln. Da bei solchen Ereignissen meist ganze Blöcke von Nukleotiden betroffen sind, gilt jede Lücke typischerweise als ein Unterschied. Tandem-Repeats werden in Genomvergleichen üblicherweise gar nicht berücksichtigt; ihre Länge ist extrem variabel, sogar zwischen nahen Verwandten. So trägt jeder Mensch im Vergleich zu seinen Eltern tausende Unterschiede allein in den Tandem-Repeats seines Genoms. Ihre hohe Veränderlichkeit macht sie für feine Verwandtschaftsanalysen nützlich, aber für Artvergleiche ungeeignet. Auch die Berücksichtigung von Low-complexity regions (LCRs) ist beim Genomvergleich regelmäßig nicht sinnvoll, da auch sie Sequenzalignments verzerren und zufällige Homologien erzeugen können. ![]() Abb. 1 Beim linearen Sequenzvergleich (Sequenz-Alignment) werden DNA-Sequenzen so ausgerichtet und gegebenenfalls mit Lücken versehen, dass möglichst viele Basen übereinstimmen. Im vorliegenden Beispiel unterscheiden sich die Sequenzen an einer einzelnen Basenposition (an der dritten Stelle von links). Der Einschub beim Menschen (rot) fehlt hingegen in der Schimpansen-Sequenz und erscheint daher im Alignment als Lücke (Gap). Eingefügte oder fehlende Abschnitte (InDels) werden typischerweise durch ein einzelnes Mutationsereignis (Insertion oder Deletion) verursacht. Deshalb werden sie als ein einziger Unterschied gezählt. Bei einer Gesamtlänge von 60 Basen entspricht dies einem Unterschied von 3,3 % (Anzahl der Mutationsereignisse geteilt durch die Länge der Sequenz). Betrachtet man stattdessen alle unterschiedlichen Basenpositionen inklusive der Gap-Länge, ergibt sich eine Differenz von 10 Basenpositionen, was 16,7 % entspricht. Beide Werte sind auf ihre Weise korrekt, doch für die Ermittlung evolutionärer Abstände ist die Anzahl der einzelnen Mutationsereignisse maßgeblich. Kurzum: Die etablierte Methode zur Bestimmung genetischer Ähnlichkeit ist sinnvoll und gut begründet. Sie ist darauf ausgelegt, den biologischen Gegebenheiten der Genomstruktur und -evolution Rechnung zu tragen. Durch das Ausschließen bestimmter Sequenzmerkmale (wie Tandem-Repeats und Low-complexity regions) werden irreführende Ergebnisse vermieden und sichergestellt, dass genetische Vergleiche die evolutionären Zusammenhänge korrekt widerspiegeln. Entscheidend ist: In jenen Bereichen, in denen ein direkter Vergleich möglich und sinnvoll ist, zeigen Analysen seit Jahrzehnten eine genetische Übereinstimmung von 95 bis 99 %. Der genaue Wert hängt davon ab, ob protein-kodierende Regionen, Introns oder DNA-Abschnitte zwischen den Genen betrachtet werden. Diese Werte werden konstant bestätigt. KRONENBERG et al. (2018) beispielsweise teilten die DNA verschiedenen Primatenarten in 1-Million-Basen lange Abschnitte auf. Dann schauen sie sich einzelne Veränderungen in der DNA an, sogenannte SNVs (Single Nucleotide Variants). Ergebnis: 1,27 % der Basen von Mensch und Schimpanse sind unterschiedlich. SUNTSOVA & BUZDIN (2020) ermittelten, dass humanspezifische Einzelnukleotid-Veränderungen 1,23 % der menschlichen DNA ausmachen, umfangreichere InDels etwa 3 %. Großer Unterschied in der Genregulation, geringer evolutionärer AbstandDer Kreationist TERBORG (2019) weist darauf hin, dass die Unterschiede zwischen Mensch und Schimpanse auf der Ebene der Genregulation weitaus größer seien. Nicht proteinkodierende Gene allein bestimmten das Erscheinungsbild, sondern vor allem die Promotorregionen homologer Gene ("Genschalter") und regulatorische Elemente wie mi-RNA und HAR-Transkripte. Allerdings: Ausgerechnet im Gehirn sind die Unterschiede in der Genexpression besonders gering (KHAITOVICH et al. 2005). Zudem ändern die größeren Unterschiede in der Genregulation nichts an der engen genetischen Verwandtschaft und den evolutionären Abständen: Bereits eine einzige Mutation in einem Genschalter oder eine Duplikation oder Variation eines mi-RNA-Gens kann die Aktivität vieler Gene gleichzeitig verändern. Wie bereits dargelegt, zählen für die Bestimmung evolutionärer Abstände nicht regulatorische Effekte, sondern Mutationsereignisse – und hier ist der Unterschied von 1,2 % die entscheidende Größe. Eine einzige Chromosomenmutation kann tausende Basenpaare betreffen, zählt aber nur als ein Ereignis. In diesem Kontext ergibt es keinen Sinn, von tausenden Unterschieden statt von einem zu sprechen. Nur wenn man in den Lücken (Gaps) des Alignments jede einzelne Basenposition zählt und als einzelnen Unterschied wertet, gelangt man zu 15 % Unterschied (Gap divergence). Dies zeigt, wie problematisch die Darstellung in kreationistischen Quellen ist. Indem sie die Ergebnisse unterschiedlicher Berechnungsmethoden gegeneinanderstellen, suggerieren sie, eine frühere wissenschaftliche Aussage (99 % Übereinstimmung) sei durch neuere Daten (85 %) widerlegt worden. Dieses Narrativ ist schlicht falsch. Bis zu 13,8 % Unterschied – allein im Genom der GorillasWas die Kreationisten dabei gerne verschweigen: Untersucht man die Genome verschiedener Primatenarten unter Mitzählung aller Positionen in den Lücken des Alignments, dann steigen nicht nur die Unterschiede im Genom von Mensch und Schimpanse, sondern auch die innerartlichen Unterschiede deutlich. So beträgt nach Yoo et al. (2025) die genetische Diversität bei den Schimpansen 8,8 % – die Unterschiede in den Genomen der Gorillas betragen sogar sagenhafte 13,8 %. Wenn schon innerhalb einer Art derart große genetische Unterschiede existieren, ist die Differenz von 15 % zwischen Mensch und Schimpanse evolutiv zu erwarten, schließlich haben sich ihre Entwicklungslinien schon vor rund 7 Mio. Jahren getrennt. Der genetische Unterschied zwischen Schimpansen und Gorillas (beides Arten, die umgangssprachlich als "Affen" bezeichnet werden) übersteigt sogar den 15-Prozent-Unterschied zwischen Mensch und Schimpanse. Noch schlimmer: Wenn man wie Yoo et al. (2025) nur die Gap divergence betrachtet (ohne SNV-Unterschiede), kommt man auf einen Unterschied von nur noch 13,3 % zwischen Schimpansen und Menschen – weniger als die genetische Variabilität bei Gorillas. Wir sehen also, dass die von LUSKIN als "bahnbrechend" bezeichnete Erkenntnis weder etwas an der geringen evolutionären Distanz zwischen Mensch und Schimpanse noch am Stammbaum der Hominidae ändert. Diese Erkenntnisse sind für Kreationisten derart unerfreulich, dass sie nicht nur ignoriert und verschwiegen, sondern – wie Daniel Stern CARDINALE in einem YouTube-Video darlegt – von LUSKIN (2025) gezielt unkenntlich gemacht wird (vgl. Abb. 2). Die Manipulation von Casey LUSKIN: Heiligt der Zweck jedes Mittel?LUSKIN präsentiert eine Grafik aus YOO et al. (2025), die das Ausmaß der genetischen Unterschiede zwischen Mensch und anderen Primaten veranschaulicht. Dabei wird jedes Nukleotid innerhalb der Lücken als einzelner Unterschied gezählt. Vergleicht man das von ihm gezeigte Bild mit der Originalpublikation, merkt man sofort, was fehlt: LUSKIN zeigt nur den Teil, der die genetischen Unterschiede zwischen den Arten zeigt. Den unteren Teil, der die innerartliche Variation abbildet, schnitt er ab (Abb. 2).1) Das Aufdecken dieser Taktik ist aus zwei Gründen aufschlussreich: Erstens entzieht die vollständige Darstellung der Daten der Argumentation der Kreationisten jegliche Grundlage. Wenn die genetischen Unterschiede bei Schimpansen bereits knapp 9 % und bei Gorillas 13,8 % betragen, dann erscheint der Unterschied von 13,3 % zwischen Mensch und Schimpanse geradezu verblüffend gering. Es sei denn, das Discovery Institute möchte allen Ernstes behaupten, dass Gorillas keinen gemeinsamen Vorfahren haben. LUSKIN konnte seine Argumente nur platzieren, indem er seinen Lesern genau diese entscheidende Information vorenthielt. Zweitens stellt LUSKIN die Integrität der Evolutionsbiologie infrage. Er wirft den Herausgebern der Fachzeitschrift Nature vor, die "bahnbrechenden" Erkenntnisse tief im Anhang versteckt zu haben – in manipulativer Absicht. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Daten sind weder neu noch bahnbrechend, noch stehen sie im Zentrum der zitierten Studie. Dass LUSKIN zugleich an Abbildungen herumdoktert, um zentrale Informationen zu verschleiern, verleiht seiner Kritik eine geradezu ironische Wendung. Wenngleich die Verteidigung vermeintlich höherer Wahrheiten das Handeln des "Design"-Apologeten motiviert, sei die Frage erlaubt, ob der Zweck jedes Mittel heiligt. ![]() Abb. 2 Links: Abbildung aus YOO et al. (2025), Supplementary Figure III.12. Die Daten zeigen sowohl die genetischen Unterschiede zwischen Mensch und verschiedenen Primatenarten als auch die innerartlichen Variationen. Rechts: Stark verkürzte Abbildung aus LUSKIN (2025). Den unteren Teil der Abbildung, der die innerartliche Variation zeigt, hat er präzise herausgeschnitten, ohne es zu erwähnen. Zudem rückte er auch die Bildlegende (Gap diverence in 1MB segment) nach oben, was den Eindruck vermittelt, die Abbildung sei vollständig. Zusammenfassung Je nach Vergleichsmethode beträgt der genetische Unterschied zwischen Mensch und Schimpanse ungefähr 1,2 % oder rund 15 %. Evolutionsleugner greifen gezielt den höheren Wert auf, um den sogenannten 1 %-Mythos als widerlegt darzustellen. Damit stellen sie die genetische Nähe von Mensch und anderen Primaten infrage und unterstellen der Evolutionsbiologie, an überholten Konzepten festzuhalten. Dabei ignorieren sie, dass der höhere Wert auf einer anderen Methode beruht, die die Aussagekraft der 1,2 % keineswegs schmälert. Schlimmer noch: Sie verschweigen, dass der veränderte Vergleichsmaßstab auch die genetischen Unterschiede innerhalb der Primatenarten deutlich erhöht. So zeigt eine kürzlich in Nature veröffentlichte Studie, dass (nach gleicher Methode) das Erbgut der Gorillas innerartlich um bis zu 14 % variiert und das der Schimpansen um bis zu 9 %. Vor diesem Hintergrund hat sich an der engen genetischen Beziehung zwischen Mensch und Schimpanse nichts geändert. Um dies zu verschleiern, hat das Discovery Institute wichtige Daten aus einer Abbildung entfernt – eine klare Täuschung der Öffentlichkeit. Literatur KHAITOVICH, P.; HELLMANN. I; ENARD, W. et al. (2005) Parallel patterns of evolution in the genomes and transcriptomes of humans and chimpanzees. Science 309, 1850–1854. KRONENBERG, Z. N.; FIDDES, I. T.; GORDON, D. et al. (2018) High-resolution comparative analysis of great ape genomes. Science 360: eaar6343. LUSKIN, C. (2025) Fact check: New "complete” chimp genome shows 14.9 percent difference from human genome. https://evolutionnews.org/2025/05/fact-check-new-complete-chimp-genome-shows-14-9-percent-difference-from-human-genome. MORAN, L. (2023). What is in your genome? 90% of your genome is junk. Aevo UTP. SUNTSOVA, M. V. & BUZDIN, A. A. (2020) Differences between human and chimpanzee genomes and their implications in gene expression, protein functions and biochemical properties of the two species. BMC Genomics 21: 535. TERBORG, P. (2019) Das Erbgut von Mensch und Schimpanse. Wie groß ist die genetische Verwandtschaft wirklich? Studium Integrale Journal 26, 4–10. YOO, D.; RHIE, A.; HEBBAR, P. et al. (2025) Complete sequencing of ape genomes. Nature 641, 401–418. Fußnoten [1] LUSKIN (2025) hat die beschnittene Abbildung aufgrund massiver Kritik inzwischen durch das Original ersetzt. Er erklärt in einem Nachtrag, die Kürzung diente lediglich der "Vereinfachung", da innerartliche genetische Unterschiede für sein Argument unerheblich seien: "Mein Argument ist nicht, dass genetische Unterschiede zwischen Mensch und Affe die Evolution widerlegen müssen [sic!], sondern dass Evolutionisten, die jahrzehntelang von nur einem Prozent Unterschied sprachen, falsch lagen". Autor: Martin Neukamm |