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Besprechung

Der Film "Die Schöpfung - die Erde ist Zeuge" im Theater am Aegi

Oder: Gott vs. Photoshop?


Theater am Aegi in Hannover

Nur wenige Sitze blieben leer am Montag den 12. März 2012 in Hannover. Im Theater am Aegi begann um 16.30 Uhr die erste von zwei Vorstellungen mit dem Titel "Die Schöpfung - Die Erde ist Zeuge". Der Saal ist gefüllt - vor allem mit Senioren und jungen Familien. Es sind viele Kinder anwesend an diesem Montagnachmittag. Nach ein paar einleitenden Worten eines Sprechers der Adventgemeinde Hannover-Süd betritt der Initiator des Films Henry STOBER die Bühne.

Titelbild: Theater am Aegi in Hannover. Bildquelle: Christian A. Schröder, (ChristianSchd), Theater am Aegi theater Aegidientorplatz Hannover Germany, CC BY-SA 4.0.

Er ist jung, dynamisch und charismatisch und erzählt begeistert von der Entstehung seines Films, seinem christlichen Elternhaus und von dem Kindheitstraum Australien zu entdecken. Er berichtet fasziniert von der Variation der Flora und Fauna Australiens um zu der Frage überzuleiten, ob all das wirklich zufällig entstanden sein kann. Er fragt energisch in die Runde: "Wer von Euch glaubt ein Produkt des Zufalls zu sein?" Den wenigen Menschen, deren Hände sich heben - ich zähle drei inklusive meiner - verspricht er, sich im Anschluss an die Vorstellung mit ihnen zu unterhalten, sodass keiner nach Hause geht und noch an die Evolution glauben muss.

Den Titel der Veranstaltung interpretiert STOBER auch äußerst eigenwillig. Die Erde ist Zeuge - "und wenn etwas Zeuge ist, dann ist das ein Beweis". Ein Beweis?! Diesem "Beweis" gegenüber stellt er die Evolution. Die sei nur eine Theorie. "Das ist sie, das war sie, und das bleibt sie." Leider ließ sich anschließend nirgends im Foyer ein Henry STOBER finden, ich hätte ihm gerne erklärt, dass sein Verständnis der Worte "Beweis" (vgl. CARONE 2009) und "Theorie" (vgl. WIKIPEDIA "Theorie") völlig an der Wortbedeutung vorbeigeht.

Auch die Lehre der Evolutionstheorie an Schulen heißt er nicht gut, er findet es traurig, dass die Richtlinien einen Biologieunterricht inklusive Evolutionstheorie fordern und betont, das sei "kein Spaß, sondern todernst". Somit sei es Zeit für eine neue Aufklärung! Und ein Instrument dieser Aufklärung solle der Film sein, den bis zu diesem Tag angeblich bereits 60.000 Menschen sahen. Der Film solle zum Nachdenken anregen und zeigen, dass die Welt nicht durch Zufall entstanden ist, sondern durch einen göttlichen Schöpfer. Der Zufall hat es ihm wohl angetan. Den betont er an diesem Montagnachmittag besonders häufig. Dieses falsche Zufallsverständnis (vgl. NEUKAMM 2004) stellt anschließend auch Walter VEITH in dem aufgezeichneten Vortrag unter Beweis, der vor dem Film über die Schöpfung gezeigt wird.

Während des Vortrags präsentiert VEITH ein älteres Interview mit Richard DAWKINS, welches mit dem abenteuerlichen Fazit abschließt, dass selbst DAWKINS kein Problem mit Intelligent Design habe. VEITH betont, dass er einst selbst war wie DAWKINS - Atheist und überzeugt von der Evolution. Den Grund sieht er in einem schiefen Gottesbild, welches er damals hatte und welches seiner Meinung nach die heutige Welt prägt.

Dennoch verurteilt VEITH die Versuche liberaler Christen die Evolutionstheorie mit dem biblischen Schöpfungsbericht zu vereinbaren, denn für seine Thesen ist ein wörtliches Verständnis der Bibel ausschlaggebend. Der Tod als Folge der Sünde und die darauf folgende Konsequenz seien nicht vereinbar mit dem Evolutionsgedanken, der den Tod als Weg zur Weiterentwicklung sieht. Dass es sich hierbei einmal um einzelne Individuen handelt und einmal um alles existente Leben als Ökosystem, scheint ihn nicht zu interessieren.

Als Evolutionsgegner leugnet VEITH natürlich die Entstehung neuer Arten. Um die Veränderlichkeit innerhalb der Arten erklären zu können, spricht er von einer "enormen Variationskapazität", die Gott in jeden Organismus eingebaut habe. Zudem geht er tatsächlich davon aus, dass alles Leid erst nach dem Sündenfall in die Welt kam, so wie auch Pflanzen mit Dornen, Parasiten, Fleischfresser und der Tod.

Über eine künstliche Trennung von Genotyp und Phänotyp versucht er zu erläutern, weshalb natürliche Selektion nicht funktionieren kann. Die Selektion erfolge nur auf Ebene des Phänotyps und somit wäre unklar, woher die Änderungen des Genotyps kämen. Die Evolution würde lehren, dass dieser "Bauplan" rein zufällig entstanden ist - was natürlich auch an dieser Stelle nur nochmals das groteske Zufallsverständnis dieser Kreationisten enttarnt.

Der Film beginnt. Während des Intros läuft die Jahreszahl von der Gegenwart rückwärts. Es werden Gegenstände und Personen der jeweiligen Zeit eingeblendet: Hitler, Darwin, Luther, Jesus am Kreuz, antike Pyramiden und - ebenfalls geschichtlich eingeordnet - die Arche Noah. Beendet wird diese Rückschau bei etwas unter 4.000 Jahren v. Chr. mit einer Abbildung von Adam und Eva. Schon an dieser Stelle ist eigentlich alles gesagt und ich habe Mitleid mit den vielen jungen Kindern, deren Geschichtslehrer in diesem Moment einen Haufen zusätzliche Arbeit bekommen haben.

52 m² Leinwand werden mit Naturaufnahmen aus den verschiedensten Winkeln der Erde gefüllt, die zuvor sorgfältig in die sechs Tage der Schöpfung einsortiert wurden. Elmar GUNSCHs Stimme unterlegt die sechs Schöpfungstage. Sie ist jedoch nicht allzu häufig zu hören, immerhin wurde hier 1. Mose 1 auf 60 Minuten gestreckt. Trotz der schönen Aufnahmen ist der Film langatmig. Als am sechsten Tag endlich die Landtiere geschaffen werden, wird versucht, durch viele Tierbabys und zwinkernde Säuger eine heitere Stimmung zu erzeugen. Der sechste Tag - nun kann auch die Erschaffung des Menschen beobachtet werden. Menschliche Hände lassen sich vom oberen Bildrand hernieder und graben und kneten in handelsüblicher Gartenerde, bis schließlich ein Mensch geformt ist. Ein magischer Wisch mit den Handflächen über diesen Erd-Menschen und schon liegt ein fertiger Homo sapiens auf der Erde. Leben eingehaucht und auf geht's - Adam geht seine ersten Schritte im Garten Eden, auch Eva taucht plötzlich auf.

Die Musik wird dramatischer als Eva allein durch den Garten schlendert und schließlich einer Schlange begegnet. Wohl in Ermangelung einer existenten sprechenden Schlange wurde eine Stimme über die mit der Zunge zischelnde Schlange gelegt. Eva beäugt gierig den Apfel und greift nach oben - in diesem Moment wird der Höhepunkt der Absurdität erreicht: Es werden Tiere eingeblendet, die durch geöffnete Münder oder weit aufgerissene Augen erschrocken aussehen sollen. Eva schnappt sich den Apfel, die Musik tut ihr übriges dazu, die Leinwand ist schwarz und Henry STOBER springt in einem Lichtkegel auf die Bühne, einen überdimensionalen Apfel in der Hand.

Zum Abschluss erzählt er nun von einer Wunderheilung, die ihm in Afrika einst das Leben rettete. Mit 42° Fieber betete er mit letzter Kraft zu Gott, und noch bevor er "Amen gesagt hatte" stand er auf und "war so gesund wie jetzt". Seit diesem Zeitpunkt verkündet er Gottes Wort, die Lehre von einer Schöpfung und außerdem die Idee einer Rückkehr des Herrn um die Menschen zu retten, die an ihn glauben.

STOBER gibt sich insgesamt sehr fasziniert von der Natur. Das ist wohl der einzige Punkt, an dem wir eine Gemeinsamkeit haben. Die Schlüsse, die er daraus zieht und die er hochtrabend als "Beweise" bezeichnet, widersprechen jedoch nahezu allem, was die Wissenschaft heute weiß.

Zu aller Ironie der als so perfekt gelobten Schöpfung wird zur Bewerbung des Films ein Bild verwendet, welches dem Fotografen wohl noch nicht perfekt genug war. Frei nach dem Motto "Was der Schöpfer kann, das kann ich besser" wurde hier mit Photoshop nachgeholfen. Ironie kann kaum in passendere Formen verpackt werden:

Gott vs. Photoshop?

Quellen

Autorin: Anna Beniermann


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