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Bericht

Die Wissenschaftskritik des Dipl.-Ing. Hans Joachim Zillmer

Evolutionskritiker benutzt falsche akademische Titel


Zur Person

Hans-Joachim ZILLMER, geb. 1950 in Mölln, studierte in Wuppertal und Berlin Bauingenieurwesen; sein Abschuss ist der eines Diplomingenieurs. 1977 gründete und führte er ein Hochbau-Unternehmen, ein Ingenieurbüro für Bauwesen und eine Bauträger-Firma (Solingen, auch in Berlin). Seit Ende der 1990er tritt ZILLMER mit wissenschaftskritischen Publikationen in Erscheinung, in denen er die Stimmigkeit gängiger und bestens belegter Theorien in verschiedenen Wissenschaftsbereichen rundum abstreitet: Er schrieb die Bücher "Darwins Irrtum" (1998), "Irrtümer der Erdgeschichte" (2001), "Dinosaurier Handbuch" (2003), "Kolumbus kam als Letzter" (2004), "Die Evolutionslüge. Die Neandertaler und andere Fälschungen der Menschheitsgeschichte" (2005). All diese Bücher sind bei Langen Müller, München erschienen. Außerdem produzierte er im Eigenverlag das DVD-Video "Kontra Evolution Dinosaurier und Menschen lebten gemeinsam: Die Urzeit war gestern.

Die Titel

ZILLMER schmückt sich mit diversen, akademischen und akademisch klingenden Graden und Auszeichnungen, die seine Seriosität untermauern sollen; recherchiert man allerdings etwas genauer, so stößt man auf ganz erstaunliche Fakten:

  • ZILLMER sei ehrenamtlicher Dozent der Giordani-Bruno-Gesellschaft e.V. (nicht zu verwechseln mit der atheistisch-religionskritischen Giordano-Bruno-Stiftung!). Betrachtet man die Internetseite der besagten Vereinigung, so findet man ZILLMER in einer ganzen Liste von esoterischem Allerlei wieder: "Die Gilde der kosmischen Former", Archaeologiekritiker, Grenzwissenschaften, Erich v. DÄNIKEN, "Urmatrix", "Elysiumprojekt" - kurz: esoterische Ideengebäude, die mit seriöser Wissenschaft nichts zu tun haben.
  • ZILLMER sei Mitglied der "New York Academy of Sciences" - eine Akademie, die früher einmal prominente Mitglieder hatte, wie z.B. Albert Einstein. Was ZILLMER allerdings verschweigt: Die Mitgliedschaft entsteht heutzutage nicht durch Wahl oder Ernennung, sondern ganz einfach durch Bezahlung einer Jahresgebühr. Eine Auswahl der Mitglieder nach wissenschaftlichen Qualitätskriterien findet nicht statt.
  • ZILLMER sei Mitglied der "American Association for the Advancement of Science" (AAAS), eine Gesellschaft, die den wissenschaftlichen Dialog und die wissenschaftliche Kooperation durch regelmäßige Treffen fördern will. Auch hier verschweigt ZILLMER, dass (im Gegensatz z.B. zur "National Academy of Sciences") die AAAS durch Entrichtung einer Mitgliedsgebühr jedermann offen steht, es also keinerlei wissenschaftlicher Leistung bedarf, um eine Mitgliedschaft zu erweben.
  • ZILLMER sei im Jahr 2002 beim "International Biographical Centre of Cambridge", England nominiert worden als "International Scientist of the Year" (Internationaler Wissenschaftler des Jahres 2002). Recherchiert man "International Biographical Centre of Cambridge", so stellt man sehr schnell fest, dass diese Gesellschaft akademisch klingende Titel kommerziell verkauft. Die Auswahlkriterien sind mehr als dubios; käuflich sind mehr als 60 Titel, zu Preisen zwischen $ 100,- und $ 1.000,-.
  • ZILLMER habe im Dez.2007 zwei Ehrendoktorgrade der "Yorker International University" (New York) erhalten. Schaut man in Listen akkreditierter Hochschulen1) nach, so stellt sich heraus, dass es sich bei dieser "Universität" um eine "Diploma Mill", also eine "Titelmühle" handelt, bei der man akademische Titel ohne oder mit nicht nennenswerter wissenschaftlicher Leistung gegen Gebühr erwerben kann. Besucht man die Seite dieser "Universität", so wird man auf der FAQ-Seite2) feststellen, dass die Erlangung eines Doktorgrades kaum mehr als eine reine "Verwaltungsangelegenheit" ist, die den zukünftigen "Doktor" $ 594,- plus diverse weitere "Gebühren" kostet, wie es für Titelmühlen typisch ist.
  • ZILLMER habe, so die Angaben in seinem Lebenslauf auf seiner Homepage bis Ende 2009, über eine Promotion den Titel Dr. Ing. erworben. Bemerkenswerterweise gab er nicht an, wann und wo dies gewesen sein soll. In Nationalbibliotheken werden sämtliche Promotionen gesammelt und archiviert - keine einzige führt diese Arbeit. Promotionen werden in Deutschland zwischen den großen Uni-Bibliotheken ausgetauscht, aber eine Recherche in vier großen Universitäten (Bibliotheken der Ruhr Uni Bochum, Bergischen Uni Wuppertal, TU Berlin, weltweiter (!) Katalog der Uni Karlsruhe http://www.ubka.uni-karlsruhe.de/kvk.html) ergab, dass diese Arbeit dort ebenfalls nicht bekannt ist.

2009 ermittelte die Staatsanwaltschaft Wuppertal gegen ZILLMER. Im Rahmen der Ermittlungen gab er an, er habe an der "Schweizerischen Universität Zürich" ("Universitas Helvetiensis Sedis Urbis Turicensis") promoviert. Diese Universität gibt es allerdings nicht, es handelte sich auch hier um eine (mittlerweile verschwundene) "Diploma Mill" ("Titelmühle"), deren Betreiber ein gewisser Carl X. BLEISCH war, der einschlägig bekannt ist.3) Nachdem ZILLMER, um einen Prozess zu verhindern, über seinen Anwalt erklären ließ, dass er ab sofort auf die Führung eines Doktor-Titels verzichten würde, stellte die Staatsanwaltschaft Anfang 2010 das Verfahren ein. Seitdem sind praktisch alle Nennungen des Doktortitels von Hans-Joachim ZILLMER aus dem Internet verschwunden.

Diese Liste bedarf keines weiteren Kommentars mehr; und schon an dieser Stelle wird klar, was für Rückschlüsse man aus einem derart dubiosen und obskuren Nimbus zu ziehen hat.

Die wissenschaftliche Expertise

Natürlich ist die Richtigkeit eines Arguments nicht abhängig von der Person, welche es vorbringt: Ob ein Mathematiker oder ein Schreiner den Satz des Pythagoras zitiert, ist unerheblich: Hauptsache, er ist korrekt zitiert. Und in der Tat haben sich viele Menschen ein ganz beachtliches Wissen in Bereichen angeeignet, die nicht ihrer Profession entsprechen.

Wenn allerdings jemand behauptet, die Quanten- und Relativitätstheorie sei falsch, die Evolutionstheorie sei erlogen, unser Geschichtsbild sei völlig falsch oder dergleichen, dann sollte man genauer hinschauen und vorab ein paar Frage zu klären:

  • Verfügt der Kritiker über ausgewiesene Fachkenntnisse? Hat er eine wie auch immer geartete Qualifikation?
  • Arbeitet der Kritiker wissenschaftlich auf dem betreffenden Gebiet? Hat er also ein Labor oder betreibt er Feldforschung, hat er selber Experimente angestellt, Versuche gemacht, Modelle getestet? Oder klaubt er nur aus Sekundärliteratur - Internet, Bücher - heraus, was ihm in den Kram passt?
  • Hat er Fachpublikationen vorzuweisen? Dazu muss man wissen, dass wissenschaftliches Arbeiten bedeutet, dass man die Ergebnisse der eigenen Forschung bei internationalen Fachjournalen einreicht; dort werden sie einer fachlichen Qualitätsprüfung unterzogen und dann publiziert. Dieses Verfahren zwingt die Wissenschaftler, ihre Daten offen zu legen und einer kritischen Überprüfung auszusetzen.

Wie sieht es nun diesbezüglich bei ZILLMER aus? Nun, er ist Bauingenieur. Ein Studium oder eine wie auch immer geartete Bildung oder Ausbildung in naturwissenschaftlichen Fächern (sei es Chemie, Physik, Geologie oder Biologie) oder in der Wissenschaftsphilosophie hat er nicht, auch hat er keine einzige wissenschaftliche Publikation in entsprechenden Fachjournalen vorzuweisen. ZILLMERs Schriften und DVDs hingegen erschienen in nicht-wissenschaftlichen Verlagen oder er gibt sie selbst heraus; Fachveröffentlichungen hat er keine einzige.

Vor diesem Hintergrund ist es mehr als erstaunlich, in welchen Fächern er sich kompetent fühlt: Plattentektonik, Paläontologie, Steinzeit, unser Sonnensystem, Evolution, (Vor-)Geschichte, Archäologie, Klima / Erderwärmung - und überall meint er, der Fachwelt beweisen zu können, dass doch alles ganz anders war, als es in den Lehrbüchern steht: Kohlendioxid sei nicht Klima-schädlich, Evolution funktioniere nicht, die von den Paläontologen beschriebene Eiszeit habe es nicht gegeben, Dinosaurier lebten noch bis vor wenigen Tausend Jahren - ja sogar bis vor wenigen Jahrzehnten (so erfährt man seiner DVD "Kontra Evolution"). Die Inka wären Wikinger gewesen, die ganze geologische Zeitskala sei falsch, die Theorie der Plattentektonik ebenso, denn in Wahrheit dehne sich die Erde aus usw. Die Liste seiner abwegiger Ideen ließe sich endlos verlängern: ZILLMER vertritt ein "junge-Erde-Katastrophen-Modell", eine "Geokondensator-Theorie", eine "Naturbeton-Theorie", eine "Kelten-in-Amerika-Theorie", eine "Superfluten-Theorie", eine "Arktis-Neanderthaler-Theorie", eine "Schneezeit-Theorie", eine "Grönlandbrücken-Theorie", eine "Drainageschalen-Theorie".4) Allesamt wohlklingend, aber ohne jegliches wissenschaftliches Fundament, denn wissenschaftliche Publikationen über diese Themen - ob nun von ZILLMER oder von anderen Autoren - in einschlägigen Wissenschaftsjournalen sucht man vergeblich. Der Grund dafür ist simpel: Diese Ideen sind sachlich unhaltbar und nur zu vertreten, wenn man den aktuellen Stand der Forschung nicht kennt oder schlicht ignoriert.

Also wähnt sich ZILLMER in einem halben Dutzend reichlich unterschiedlichen Fachgebieten nicht nur als Experte, er glaubt sogar, der gesamten Fachwelt beweisen zu können, dass alle anderen irren. Nun, bei Bauchschmerzen hilft kein Augenarzt, und wenn der Hahn tropft, wird der Elektriker nicht kompetent sein. Wie ist es möglich, dass sich ein Mensch derart überschätzt? Und angesichts der offensichtlich ganz gezielten Vortäuschung akademische Exzellenz: was für eine Absicht mag hinter ZILLMERs Handeln stecken? Eines ist jedenfalls evident: bereits die hier abgehandelten Vorrecherchen machen klar, dass ZILLMERs Ideengebäude alles andere als seriös sind.

Zillmers öffentliche Aktivitäten

Am 11. April 2004 hat ZILLMER die Eröffnungsrede zur Dinosaurierausstellung "DinoVersum" im Kölner Zoo gehalten. Ich habe den damaligen Direktor Dr. Günther Nogge befragt, wie es möglich war, dass eine derart fragwürdige Person wie ZILLMER die Gelegenheit zu einem Vortrag erhielt. Die Antwort war interessant und aufschlussreich: Zunächst verstand Herr Nogge das Problem gar nicht; denn ZILLMER war ihm von einem Verlag sehr nachdrücklich empfohlen worden und Nogge wusste zu berichten (Zitat), "dass ZILLMER seine Sache recht gut gemacht" habe. Daraufhin wies ich ihn auf den Inhalt von ZILLMERs Homepage hin und auf die vielen abstrusen Thesen, die er vertritt. Herr Nogge war vollkommen überrascht von den dort vertretenen Absurditäten und meine, er wäre froh, "dass dies damals niemand gemerkt hat", denn "ZILLMER hat sich seinerzeit mit derartigen Thesen zurück gehalten". Wie ist dies zu interpretieren? Sollte sich ZILLMER am Ende selbst darüber im Klaren sein, dass er höchst Unsinniges vertritt? Hielt er sich möglicherweise im Kölner Zoo mit seinen Spekulationen zurück, um keinen Eklat zu provozieren, damit er besagten Vortrag zum Aufpolieren seines Images verbuchen kann?

Am 11. Oktober 2006 habe, so ZILLMER, im Europäischen Parlament ein Hearing über "Teaching Evolution Theory in European Schools" statt gefunden, einer von drei "geladenen Experten" sei er selbst gewesen. Eine Recherche beim Europaparlament hat ergeben, dass es ein solches offizielles Hearing des Europaparlaments nicht gegeben hat!5)

Dieses angebliche Expertenhearing war in Wahrheit eine Privatveranstaltung von Dr. Maciej GIERTYCH, polnischer Abgeordneter im Parlament. GIERTYCH ist Forstwissenschaftler (Prof. der Landwirtschaftlichen Akademie Posen), evolutionsbiologische Expertise und Publikationen kann er nicht vorweisen. Er ist stellvertretender Vorsitzender der rechtsradikalen "Liga der Polnischen Familien"; einer Partei, die neben ihren nationalistischen Zielen auch offen für das Lehren des Kreationismus in Schulen eintritt und die Evolution als "Lüge" verteufelt, die "wir als allgemeine Wahrheit legalisiert haben".6) Ferner hat er sich durch antisemitische Schriften und Hetzkampagnen gegen Homosexuelle einen schlechten Ruf erworben. Kanzlerin Angela MERKEL hat er mit Adolf HITLER verglichen.7) GIERTYCH hat nun versucht, das Europäische Parlament als evolutionskritisches Forum zu missbrauchen und daher besagte Veranstaltung organisiert - de facto als Privatveranstaltung in einem Raum des Parlaments. Übrigens habe ich bei Herrn GIERTYCH selbst angefragt, ob es nicht einen offiziellen Bericht des Parlaments gäbe, und auch er selbst konnte (in seiner Antwort per Mail am 13.11.2008) lediglich auf seine eigenen Auslassungen auf seiner privaten Homepage verweisen.

Nun kann man für absurde und sachlich unhaltbare Positionen, wie es eine kreationistische, esoterische oder UFOlogische Evolutionskritik nun mal ist, keine ernst zu nehmenden Argumente anführen - das liegt in der Natur der Sache. Also wird man logischerweise auch keine Expertenvoten zur Stützung solche Ideen bekommen. Daher musste GIERTYCH auf sehr fragwürdige Personen zurückgreifen; neben ZILLMER kamen der Franzose Guy Berthault (ebenfalls ein Ingenieur) und der US-Amerikaner Joseph MASTROPAOLO (ein Physiologe). Beide verfügen über keinerlei Expertise und eigene Fachpublikationen in den Bereichen Evolutionsbiologie und Geologie (insbesondere Berthaults Thesen sind ebenso absurd wie ZILLMERs, er selber ist ebenso fachfremd wie jener).8) Um es nochmals zu betonen: Die Stichhaltigkeit eines Arguments hängt nicht von dem ab, der es vertritt. Der Punkt ist - wie bereits weiter oben erläutert - ein anderer: Es ist mehr als suspekt, wenn ein fachfremder Kritiker, der über keinerlei Expertise im betreffenden Gebiet verfügt, der selber in diesem Gebiet weder forscht noch wissenschaftlich publiziert, wenn solch ein Kritiker glaubt, der gesamtem Branche ihre "eklatanten Fehler" nachweisen zu können.

Persönliche Erfahrungen mit Zillmer

Am 19.11.2008 habe ich einen Vortrag von ZILLMER in der VHS Ratingen besucht. Ich hatte im Vorfeld den Veranstalter gebeten, dass er mir am Ende Gelegenheit zu einer Gegendarstellung gibt. Nachdem ZILLMER 1½ Stunden lang in seinem Vortrag kreuz und quer durch Evolution, Klimatologie, Geologie und Historie sprang, versuchte ich am Ende, nach Einladung des Veranstalters, ein paar Dinge zurecht zu rücken. Zugegen waren außer mir noch fünf Gäste, drei davon waren ZILLMER-Anhänger, er hatte sie selber mitgebracht. Einer dieser Fans hat mich dann bereits nach den ersten Sätzen niedergeschrieen und damit eine Entgegnung torpediert; auch der Veranstalter konnte ihn nicht bremsen. ZILLMER selbst wollte sich meiner Kritik nicht stellen, er hat kommentarlos eingepackt. Daraus ist klar ersichtlich: ZILLMER nimmt sich das Recht, ohne jede Sachkenntnis Kritik an der Wissenschaft zu üben; will man ihm jedoch aufzeigen, wo er mit unlauteren Mitteln arbeitet, so entzieht er sich der Kritik.

So viel zum Thema "wissenschaftliche Diskussionskultur". Schauen wir uns nun ZILLMERs Veröffentlichungen an - und betrachten stellvertretend einen seiner Filme etwas genauer.

Zillmers Filme und Bücher

Wie schon begründet, unterliegt die Wissenschaft bestimmten Regeln, um qualitative Anforderungen umzusetzen: Die Arbeit und die Daten sollen transparent sein, Betrug und Schlamperei soll so weit es überhaupt möglich ist, erschwert werden. Wer jemals eine nach diesen Regeln verfasste wissenschaftliche Publikation oder ein Fach-Lehrbuch in Händen hielt, der weiß, dass ZILLMERs Produkte allein in Stil und Präsentation keinem wissenschaftlichen Qualitätskriterium genügen. ZILLMER verwendet recht großzügig solch polemische Begriffe wie "Lüge", "Betrug", "Eiszeit Märchenzeit", "geplatzte Seifenblasen", "[von der Wissenschaft] frei erfundene [falsche Tatsachen]" - die Liste könnte noch verlängert werden. Derartige Wertungen und Polemiken kommen in wissenschaftlicher Fach- und Sachliteratur nicht vor. Auch die reißerische Art, wie in seinem Video Effekte erzielt werden - z.B. schnelles auf- und abblenden von Schriftzügen, phantasievolle Musterwechsel auf Bildschirmen, während er redet - ist eine Vorgehensweise, die in seriösen Beiträgen nichts verloren hat.

Es ist weder möglich noch nötig, alle von ZILLMER vorgebrachten Argumente zu analysieren, daher sei hier als Beispiel lediglich auf die Rezension seines Videos "kontra Evolution" verwiesen. Zusammenfassend lässt sich feststellen:

  • Die einschlägige Fachliteratur bleibt praktisch unberücksichtigt. Wer jedoch derart Revolutionäres behauptet wie ZILLMER, muss diese in- und auswendig kennen. Sich dieses Wissen anzueignen, ist natürlich ziemlich mühsam, aber im Rahmen einer sauberen und fundierten Argumentation unerlässlich. ZILLMER ist allerdings in vielen Bereichen über die grundlegendsten Zusammenhänge entweder nicht informiert, oder er ignoriert sie schlichtweg.
  • ZILLMER präsentiert die Mehrzahl seiner Behauptungen in einer Art und Weise, die nicht intersubjektiv nachprüfbar ist: Die Funde sind nicht greifbar, wissenschaftliche Veröffentlichungen darüber existieren nicht, Literaturangaben sind unvollständig oder fehlen.
  • ZILLMER dreht sich unbeeindruckt von der Faktenlage alle Befunde so zurecht, wie sie ihm gerade in den Kram passen; das gilt vor allem für die Interpretation von Fossilien und Artefakten.
  • ZILLMER glaubt kompetent zu sein, auf einem Dutzend von Fachgebieten die etablierte Wissenschaft widerlegen zu können. Dabei ist er allerdings nicht in der Lage, Alternativen aufzuzeigen. Wenn Evolution nicht funktioniert, wie sind die Lebewesen denn sonst entstanden? Durch göttliche Schöpfung, wie die Kreationisten meinen? Sind sie außerirdischen Ursprungs, wie UFOlogen es glauben? Immer schon da gewesen, wie Fred Hoyle sagte? Wo sind die Daten und Belege? Wenn die Geologie ganz anders war als die Geowissenschaft sagt, woher kommen z.B. die geologischen Triebkräfte, die in der Lage sein sollen, ganze Gebirge in allerkürzester Zeit kilometerweit in die Höhe zu heben? Bemerkenswerterweise schweigt sich ZILLMER aus, wo er eigentlich Farbe bekennen müsste; mehr als ein paar vage Andeutungen präsentiert er nicht.
  • Versucht man, dem Gedankengang des Films zu folgen, so stellt man fest, dass ZILLMER kreuz und quer zwischen Geologie, Biologie, Historie, Klimatologie und Paläontologie hin und her springt und sich dabei bei keinem Thema mehr als wenige Minuten aufhält (die Filmbesprechung). Unnötig zu sagen, dass auch dies kein seriöses Vorgehen ist.

Alles in allem sind in ZILLMERs Filmen und Büchern schwerste inhaltliche und formale Mängel zu konstatieren. Dabei geht es nicht um eine moralische Beurteilung ZILLMERs. Ob er gezielt und bewusst Falschbehauptungen aufstellt, ob er schlicht inkompetent ist, ob es ihm nur um den Verkauf seiner Bücher und Filme geht, ob er von seinen Ideen selber überzeugt ist - all dies steht nicht zur Debatte. Interessanter und sicherlich auch wichtiger ist die Frage, wieso er mit seinen Filmen und Büchern eine derart breite Wirkung erzielt. Was macht ihn für viele Mitmenschen so faszinierend und überzeugend? Vermutlich werden hier verschiedene Punkte zusammen kommen:

1.) Die Allgemeinheit kennt die Regeln des wissenschaftlichen Arbeitens nicht: Niemand, der nicht selbst direkte oder indirekte Erfahrungen mir wissenschaftlichem Arbeiten gemacht hat, kann auch nur im Entferntesten ermessen, was seriöse wissenschaftliche Expertise ist, was für Kriterien bei der Forschung anzuwenden sind, welchen Bedingungen Wissenschaft genügen muss. Daher überrascht es nicht, dass ZILLMER von vielen Menschen für einen seriösen Experten gehalten wird - und schließlich hat er sich mit all seinen unredlich erworbenen Titeln viel Mühe gegeben, Seriosität und Wissenschaftlichkeit vorzugaukeln.

2.) Unsere Erklärungen der Welt sind derart kompliziert geworden, dass unser heutiges Wissen von einem einzelnen Menschen nicht einmal ansatzweise überblickt werden kann, auch nicht von den gebildetsten. Daher wird kein Laie ermessen können, was für einen Unsinn ZILLMER von sich gibt; insbesondere und auch angesichts der Tatsache, dass es nur sehr schwer möglich ist, seine Behauptungen zu recherchieren, weil er keine nachvollziehbaren Quellenangaben macht.

3.) Gerade aufgrund der erwähnten Diversifizierung, um nicht zu sagen Zersplitterung unserer Kultur und unseres Wissens fehlt vielen Menschen die Orientierung. Warum wissen wir immer mehr, warum schreitet die Forschung immer weiter voran, aber Krebs und AIDS sind immer noch nicht besiegt, und die Umwelt gerät immer mehr aus den Fugen? Demagogen, Verschwörungstheoretiker und Wissenschaftskritiker wie ZILLMER bieten hier eine einfache und gut verständliche Lösung an: "Die Wissenschaft betrügt, in Wahrheit ist alles ganz anders, und die Hauptbeschäftigung der eingeschworenen Forscher-Clique besteht darin, zu verschleiern und zu vertuschen!" Diese Botschaft ist zwar grotesk; wenn sie aber so geschickt verpackt wird, wie ZILLMER es tut, fällt sie allzu oft auf fruchtbaren Boden.

4.) Wegen der notwendigerweise extremen Spezialisierung innerhalb der Forschung fühlen sich viele Menschen hilflos, wenn sie sich in der Wissenschaft zurecht finden sollen. Kaum jemand kann alle heute gültigen Theorien verstehen, geschweige denn beurteilen. Mit ZILLMERs Botschaft sieht die Sache jedoch anders aus: Dem Laien wird vorgegaukelt, es gäbe ja auch gar nichts zu verstehen, weil sowieso alles gefälscht und gelogen sei. ZILLMER lädt den "Otto-Normalverbraucher" dazu ein, sich dem Wissenschaftler, dem er sich vorher geistig und intellektuell ausgeliefert sah, nun ebenbürtig (ja, sogar überlegen) zu fühlen.

Fazit: Es sind die Gutgläubigkeit und die Ängste vieler Mitmenschen, die dazu führen, dass derartige Haltlosigkeiten Gehör finden - und leider zu weiterer Verunsicherung beitragen.




Fußnoten

[1] anabin = Informationssystem zur Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse, gateway to recogntion of academic and professional qualifications sowie die offizielle Informations- und Suchseite des US-Bildungsministeriums für akkreditierte Bildungseinrichtungen. Auf allen drei Seiten kann man feststellen, dass die "Yorker International University" eine nicht anerkannte Institution ist. Die Positivliste des Staates Oregon listet die Yorker International University auf als nicht anerkannte Einrichtung bzw. als sog. "Diploma Mill" (= "Titelmühle", bei der man akademische Titel kaufen kann).

[2] Siehe hier bzw. hier.

[3] Folgende 3 Publikationen benennen Carl X. BLEISCH als unrechtschaffenen Betreiber von "Titelmühlen", der gegen Geld akademische Titel verkauft:


1.) Dr. Lyndon Jones (1985): "Diploma Mills - Part 1: Origin and growth"

Education + Training 27(2): 58-61 ISSN: 0040-0912 / DOI: 10.1108/eb017105

Publisher: MCB UP Ltd

Der Carl BLEISCH betreffende Abschnitt lautet:

Abschnitt One Swiss diploma mill operator, Carl BLEISCH, applied to Oxford University's Mansfield College to run a two-day study course for 22 students from Oxford College of Applied Science. Mansfield College agreed, although whether they would if they had known that Oxford College of Applied Science was registered as an employment agency is another matter. Following the course BLEISCH then asked the College bursar for a letter which his "students" could produce as evidence of attendance. He then went to an Oxford notary public who attested that the letter bore the seal of Oxford College of Applied Science and that the course had been held "under the auspices of Mansfield College". Finally BLEISCH got a letter from the Foreign Office confirming the Notary Public's signature. BLEISCH returned to Zurich and produced an impressive brochure bearing the Mansfield College coat of arms, and declared that the documents from the notary public and Foreign Office entitled him to issue degrees without study or examinations. Advertisements were placed by him in the International Herald Tribune and other papers, and hundreds of degrees were sold at £600 for a Bachelor of Arts, £1000 for a Masters, and £2000 for a Doctorate.

[Übersetzung von A. Beyer: Ein Schweizer Titelelmühlen-Betreiber, Carl BLEISCH, wendete sich an das Mansfield College der Universität Oxford, um einen 2-Tages-Studienkurs für 22 Studenten vom Oxforder College of Applied Science abhalten zu dürfen. Mansfield College war einverstanden; ob sie jedoch zugestimmt hätten, wenn sie gewusst hätten, dass "Oxford College of Applied Science" eingetragen und registriert war als Arbeitsvermittlungsagentur, das ist eine andere Frage. Nach dem Kursus bat BLEISCH den Kämmerer des College um eine Bescheinigung, die seinen "Studenten" zur Vorlage als Teilnahmebeleg diene sollte. Dann ging er zu einem Oxforder Notar, der beglaubigte, dass besagte Bescheinigung das Siegel des Oxford College of Applied Science trägt und das der Kurs "unter Federführung und Schirmherrschaft des Mansfield College" abgehalten wurde. Schließlich erhielt BLEISCH einen Brief vom Außenministerium, der die Unterschrift des Notars beglaubigte. BLEISCH kehrte nach Zurich zurück und brachte eine eindrucksvolle Broschüre, die das Wappen des Mansfield College trug, heraus und erklärte in dieser Schrift, dass die Dokumente des Notars und des Außenministeriums ihn berechtigten, (akademische) Grade zu verleihen, und zwar ohne Studienleitungen oder Prüfungen. Er schaltete Werbeanzeigen im International Herald Tribune und anderen Zeitungen, und Hundrete von Titeln wurden verkauft - für £600 für einen Bachelor of Arts, £1000 für einen Master und £2000 für einen Doktortitel.]

2.) Horst BIALLO (1995): "Die Doktormacher: Namen und Adressen, Preise und Verträge, Behörden und Betrogene, Gesetze und Strafen"

Frankfurt am Main : Fischer-Taschenbuch-Verl. (Schriftenreihe: Fischer; 13025: Wirtschaft)

ISBN-10: 3596130255; ISBN-13: 978-3596130252

Hier ist ein ganzes Kapitel Herrn BLEISCH gewidmet (S. 92 - 103 des genannten Buchs):

"Prof. Dr. Carl Xaver BLEISCH = de Leon, Zürich Zeitweise entmündigter Herr vieler Unis"

3.) Dr. John B. BEAR, M.A. Mariah P. BEAR (2003)

"Bears' Guide to Earning Degrees by Distance Learning"

Ten Speed Press, Berkeley 15. Auflage ISBN 1580084311, 9781580084314

S. 277 benennt einige "Institutionen" im Zusammenhang mit Herrn BLEISCH, u.a. seine Züricher "Universität", als Titelmühlen, bei denen man sich akademische Grade kaufen kann.

[4] Siehe hier.

[5] Eine Nachfrage beim Europaparlament, Berliner Büro (EPberlin@europarl.europa.eu) wurde am 10.11.2008 von Fr. SCHLÜTER beantwortet: ein solches offizielles Hearing der Europaparlaments hat es nicht gegeben, die öffentlichen Hearings des Europaparlaments, so die Auskunft, sind hier aufgelistet, dort ist es nicht aufgeführt.

[6] KJAERGAARD PC (2008): Western Front, New Humanist 123(3).

[7] Siehe hier.

[8] Siehe zum Beispiel hier und hier.

Weitere Links und Literatur

Diplom-Mineraloge Gunnar RIES über ZILLMER.

Besprechung von ZILLMERs "Irrtümer der Erdgeschichte".

Besprechung von ZILLMERs historischen Ideen.

Heinz Baslers Webseite zu ZILLMER: "Darwin, ein Hammer und die Sintflut - ist Darwin widerlegt? Neuartige revolutionäre Erkenntnisse?"

Psiram über H.-J. ZILLMER.

Analyse der Chronologiekritik.

Autor: Andreas Beyer


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