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Bericht:
Täuschung und Vereinnahmungsstrategien
der deutschen Kreationisten
In: "Biologenheute", Ausgabe 6/2002, S. 15
Im Jahr 2000 meldete sich - wie er sagte in
Reaktion auf die Publikation von Haeckels Kunstformen der Natur - ein
Filmemacher, Herr Fritz Poppenberg (Berlin), im Ernst-Haeckel Haus mit dem
Anliegen, ihn bei den Recherchen zu einem Film über Ernst Haeckel zu
unterstützen. Er wollte einen Film möglichst an
Originalschauplätzen, ggf. auch mit Schauspielszenen drehen, der die
Person Ernst Haeckels einem breiten Publikum verständlich machen sollte.
Entsprechend erfuhr er durch das Ernst-Haeckel-Haus Unterstützung. Es
wurde ihm gestattet, im Museum des Ernst-Haeckel-Hauses zu drehen und mehrere
Mitarbeiter zum Thema "Haeckel und die Evolutionsbiologie" zu interviewen.
Dabei entstanden zwei längere Interviews mit dem Leiter des
Ernst-Haeckel-Hauses, Prof. Dr. Dr. Olaf Breidbach, und einem seiner wiss.
Mitarbeiter Dr. Uwe Hoßfeld. Auch zur Teilnahme an einer internationalen
Tagung zur Evolutionsbiologie in Italien haben wir Herrn Poppenberg angeregt,
wo er schließlich auch für seinen Film drehte.
Den entstandenen Film haben wir im Ernst-Haeckel-Haus nie gesehen. Eine Nachfrage
unseres Sekretariats wurde negativ beschieden. Der WDR könne den Film
wohl doch nicht annehmen, die definitive Produktion sei demnach ausgesetzt.
Da abgesprochen war, dass der Film zumindest in den Interviewpassagen durch
die beteiligten Mitarbeiter vor der Fragestellung noch einmal gesichtet und
autorisiert werden sollte, und hier keine weitere Nachricht kam, mussten
wir davon ausgehen, dass diese Produktion nicht zustande gekommen war.
Um so überraschter waren wir, dass solch ein Film nun doch existiert
und seit 2001 als Video im Handel ist. Von der Existenz dieses Films mit
dem Titel "Gott würfelt nicht." - ein Film über den erbitterten
Kampf zwischen Wissenschaft und Ideologie - erfuhren wir durch den Anruf
eines Kollegen. Dieser Film ist aber alles andere als eine biographische
Studie zu Haeckel. Es ist vielmehr eine Arbeit, die versucht mit dem Renommee
des Ernst-Haeckel-Hauses seine eigene weltanschauliche Position abzusichern.
Die Interviews mit den Mitarbeitern und dem Direktor des Ernst-Haeckel-Hauses
sind im Film dabei derart platziert, dass sie sich in einem Argumentationskontext
finden, der die Tatsache der Evolution als naturwissenschaftliche Theorie
leugnet.
Der Film entpuppt sich insgesamt als ein Manöver, mit dem eine
weltanschauliche, gegen Ergebnisse der Biologie und der Wissenschaftsgeschichte
arbeitende Gruppe, die so genannten Kreationisten, die Öffentlichkeit
zu täuschen sucht. Dass hier Interviews mit Personen vorkommen, die
eine dezidiert anti-kreationistische Auffassung vertreten, d.h. also
Wissenschaftler, die diese kreationistische Weltanschauung für Unsinn
halten, ist schlicht unverschämt.
Für uns ist es neu, dass die Kreationisten in Deutschland derart aggressiv
vorgehen um sich ein Autoritätsmäntelchen zu erschleichen. Rechtliche
Schritte prüfen wir gerade. Hier können wir nur vor dieser
weltanschaulichen Vereinnahmungsstrategie warnen. Die Grundaussage des Films
ist falsch. Die Technik - ein Puzzle aus richtigen Details, herausgerissenen
Zitaten vermeintlicher Autoritäten und weltanschaulich-emotionalen Sentenzen
zu einem Cocktail zu rühren - ist unredlich. Hier wird die
Öffentlichkeit schlicht getäuscht. Es wird ein Zerrbild vermittelt,
das alles andere als die Position der modernen Biologie und die Position
der modernen Wissenschaftsgeschichte vermittelt. Ein derartiges Vorgehen
war uns bisher nur von der Scientology-Sekte bekannt. Die Öffentlichkeit,
insbesondere Schüler und Lehrer, seien nachdrücklich vor diesem
Machwerk gewarnt. Keiner der beteiligten Wissenschaftler des Ernst-Haeckel-Hauses
oder andere Wissenschaftshistoriker stehen auch nur im Ansatz hinter der
Grundaussage dieses Films. Dieser Film wird von uns als unseriöses
Täuschungsmanöver bewertet, der der Biowissenschaft und allen,
die über die Bedeutung der Biologie für unser modernes Bild vom
Menschen nachdenken nachhaltigen Schaden verursacht.
Dass auch andere Wissenschaftsorganisationen in diesem Film als scheinbarer
Beleg für die Fundiertheit der Argumente herangezogen werden (wie sicherlich
unwissentlich die MPG) belegt nur die Unseriosität.
In einer freien Gesellschaft darf jeder seine Meinung äußern und
jeder darf seine Argumente darlegen. Niemand darf aber seine Argumente
erschleichen. Dies ist nicht etwa nur unfein. Personen, und vor allem Personen,
die als Journalisten oder Filmemacher derart vorgehen, sind aus der
öffentlichen Diskussion zu verbannen, und ihre Machwerke sollten nur
als Lehrstücke dafür herhalten, dass Demagogie auch im Mantel der
Dokumentation verhüllt sein kann.
Nachdrücklich distanzieren wir - die Mitarbeiter des Ernst-Haeckel-Hauses
- uns von diesem Machwerk.
Für die Mitarbeiter des Ernst-Haeckel-Hauses, der Institutsdirektor
Prof.
Dr. Dr. Olaf Breidbach,
Jena
© Verband deutscher Biologen
(VdBiol)