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Stellungnahme zu R.
Junkers Kritik: "Ideologen im Kampf gegen
Ideologie"
Quelle:
Genesisnet
sowie
Wort
und Wissen
Reinhard Junker, der bekannte Evolutionskritiker der
Studiengemeinschaft "Wort-und-Wissen e.V." und Mitautor der
kreationistischen Internet-Plattform "Genesisnet", hat zu unserer
Überraschung in einem jüngst verfaßten Kommentar zur Homepage
der AG Evolutionsbiologie Stellung bezogen. Nebst der lobenden Erwähnung
als "interessante Internetseite" finden sich dort auch und
überwiegend sehr kritische Anmerkungen zu unserer Homepage.
Die Kritik setzt an der Stelle an, wo Prof. H. Jacobsen, der derzeitige
Präsident des Verbands deutscher Biologen, die Zielsetzung unserer
Arbeitsgemeinschaft umschreibt. Danach liegt es in unserem Bestreben, der
an deutschen Universitäten unterrepräsentierten Evolutionsbiologie
einen angemessenen Stellenwert zu beschaffen und inzugedessen auch
"ideologisch begründete Strategien gegen moderne Evolutionsbiologie
öffentlichkeitswirksam zu begegnen". Junker hält uns an dieser
Stelle vor, unsere Ziele seien nicht minder ideologisch - eine Feststellung,
die er an der unliebsamen "Tendenz der Verlinkung" festmachen will.
So wird uns vorgeworfen, wir würden ausschließlich auf die
Internetseiten von Kreationismuskritikern verlinken, wie z.B. auf die Homepage
des "extrem bibelkritischen" Theologen Gerd Lüdemann. Ferner
ist unsere Empfehlung der Broschüre von W. Bergmann, in der die Vermengung
von Wissenschaft und kreationistischen Dogmen angeprangert wird, ebenso Stein
des Anstoßes, wie ein Link, der auf die Homepage der
Giordano-Bruno-Stiftung verweist. Kritisiert wird auch unser Hinweis auf
die Zeitschrift "MIZ", handelt es sich doch um ein "politisches
Magazin für Konfessionslose und AtheistInnen, FreidenkerInnen, HumanistInnen
und SkeptikerInnen, Ungläubige aller Art". Junker zieht daher als
Fazit, "dass es dem VDBiol nicht nur um ungerechtfertigte Angriffe gegen
die Evolutionsbiologie" gehe, sondern "im Kern um die Verteidigung
einer materialistischen oder naturalistischen Ideologie" bzw. "um
die zunehmende Durchsetzung und Alleinherrschaft eines naturalistischen
Weltbildes' ". Was ist unter sachlichen Gesichtspunkten von solchen
Behauptungen zu halten?
Wie oben deutlich gemacht wurde, verfolgt die AG Evolutionsbiologie ein ganz
bestimmtes Ziel, nämlich die Förderung der wissenschaftlichen
Evolutionstheorie auf allen Ebenen. Dazu gehört auch die Verteidigung
der Evolutionslehre gegen externe, schöpfungstheoretisch motivierte
Fundamentalkritik. Um dieses Ziel zu erreichen, arbeiten wir mit anderen
Organisationen zusammen, solange sie unsere Ziele teilen. Wenn uns z.B. die
Giordano-Bruno-Stiftung oder die "MIZ" bei der
öffentlichkeitswirksamen Abwehr ideologisch begründeter Strategien
gegen die moderne Evolutionsbiologie unterstützen, ist es nur
selbstverständlich, daß wir im Gegenzug auf ihre Publikationen
und Internetplattformen hinweisen. Dies bedeutet keineswegs, daß wir
deren inhaltliche Positionen vollständig übernehmen. Bei
der Zusammenarbeit mit der "MIZ", der Giordano-Bruno-Stiftung,
dem Skeptiker etc. handelt es sich vielmehr um ein partielles
Bündnis und nicht etwa um eine allgemeine Identität der Ziele.
Selbiges gilt auch für die Zusammenarbeit mit Christen und/oder Theologen.
Wenn wir auf die kreationismuskritischen Texte von Bergmann und Lüdemann
hinweisen, ändert sich dadurch nichts an unserer weltanschaulichen
Neutralität gegenüber ihren inhaltlichen, theologischen Aussagen.
Anderslautende Behauptungen entbehren jeglicher Argumentationsgrundlage und
sind nichts weiter als polemische Unterstellungen.
Die Angriffe gegen uns richten sich schon insofern gegen einen Pappkameraden,
als sie an unserer wissenschaftstheoretischen Position rigoros
vorbeizielen. Wie aus unseren kreationismuskritischen Artikeln und Büchern
klar hervorgeht, vertreten wir einen strikt methodischen Naturalismus,
weil sich die Schöpfungsthese prinzipiell der empirischen Kritik entzieht.
Von einer "naturalistischen Ideologie" kann daher überhaupt keine
Rede sein. Dies sehen die Redakteure der "MIZ" explizit genauso. Deren
Atheismus beruht ausdrücklich nicht auf "nicht mehr hinterfragbaren
Denkvoraussetzungen", wie z.B. der Kreationismus, sondern genau umgekehrt:
Ihre Denkvoraussetzungen sind "nicht inhaltlicher, sondern methodischer
Art", beruhen also auf einem "methodologischen Agnostizismus"
(Schmidt-Salomon
2004). Diesen als "Ideologie" auszulegen, entspricht einer kruden
Tatsachenverdrehung, die zeigt, daß man sich über deren und unsere
Positionen nicht hinreichend informiert hat oder aber ganz gezielt Agitation
gegen uns betreibt.
Im übrigen zeigt der Kommentar, daß der Kreationismus Probleme
mit ergebnisoffenen Weltbildern hat. Wenn es seine Vertreter aufgrund
einer fundamentalistisch verengten Sichtweise nicht fertigbringen, ihren
Glauben mit modernen Erkenntnissen der Wissenschaft in Einklang zu bringen,
müssen sie mit dem Problem allein fertigwerden. Keinesfalls aber
läßt sich der Ideologievorwurf unter umgekehrtem Vorzeichen den
Evolutionsbiologen anlasten, denn auf uns und die meisten Christen (die
es auch in unseren Reihen gibt) wirkt der Gegensatz zwischen Evolution
und Schöpfung mühsam und konstruiert.
Autor
dieser News: M.
Neukamm
© AG Evolutionsbiologie
des VdBiol. Letzte Aktualisierung: 03.10.04